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Die Fassade als Kunstwerk

Eine einfache geometrische Form dominiert die Fassade des Neubaus in Chur. Doch das vermeintlich simple Detail ist in seinem Ursprung und der Umsetzung komplexer als gedacht.

RECKLI_Illustration Bündnermuseum Chur

Unzählige Kassettenelemente kleiden den Erweiterungsbau der Villa Planta in Chur: Ein sich wiederholendes quadratisches Element, das erst auf den zweiten Blick ganz erlebbar wird. In einigem Abstand beeindruckt die Villa Planta mit prunkvollen und abwechslungsreichen Details. Der Neubau von Alberto Veiga und Fabrizio Barozzi strahlt durch das Quadrat als dominantes Detail, das sich auf mehreren Ebenen des Baus wiederfindet: Von der Form des Baukörpers über die Geometrie im Inneren bis hin zum Fassadendetail.

Während die Form des Neubaus – ein zurückhaltender, einfacher Baukörper mit klaren Linien – schnell feststand, kam die Idee für die Gestaltung der Fassade erst spät, sagt Veiga: »Wir haben nach etwas gesucht, das den Entwurf bereichert und dabei zeitgemäß und modern ist.«

Auf der Suche nach dem verbindenden Element studierte das Architektenduo einmal mehr die Villa Planta – und stieß auf das Ornament als Detail, das eine Relation zum Bestandsbau herstellt und ihnen gleichzeitig genug Spielraum für ihre eigene Interpretation lässt. »Ohne das Ornament würde der Baukörper vollkommen anders wirken. Es ist ein charakteristisches, sehr prägnantes Element.«, sagt Veiga. Kein untergeordnetes Detail, sondern ein Element von besonderer Bedeutung. Die Kombination aus starkem Baukörper und filigranem Detail ist für ihn Ausdruck der Umgebung: »Graubünden ist ein starker Ort, voller kleiner Details und Aspekte.« Mit dem Anspruch der Architekten an ihre Formsprache, die Stärke und Leichtigkeit zugleich ausstrahlen sollte, fiel die Wahl des Materials leicht: »Beton ist ein unglaubliches Material, weil man damit spielen kann. Heutzutage kann man damit alles machen was man will, es ist wirklich faszinierend.«

Das Fassadendetail kommt einfach und gleichzeitig komplex daher. Dieser Eindruck entsteht nicht zuletzt aufgrund der Tiefe des Elements: Bei genauem Hinschauen handelt es sich nicht um ein, sondern um drei unterschiedlich tief gestaffelte Vierecke. Ein komplexer Entwurf, dessen Umsetzung von der Idee bis zur fertigen Fassade 36 Monate dauerte.

Barozzi/Veiga hatten die Fassadenplanung gemeinsam mit dem Zürcher Architekturbüro Feroplan Engineering und dem Betonwerk Sulser durchgeführt und fünf verschiedene Designs getestet.

RECKLI-Vertreter Elmar Pallasch sah die Pläne zum ersten Mal auf der Baumesse Swissbau im Januar 2014, als ein Ingenieur von Feroplan ihn fragte, ob RECKLI entsprechende Matrizen herstellen könne. Pallasch bejahte. Weil Sulser und RECKLI schon mehrere Projekte zusammen realisiert haben, arbeiteten die Unternehmen Hand in Hand. RECKLI würde das Rohmaterial für die Matrizen liefern, Sulser würde die Formen in der Schweiz selbst gießen. »Die Leute im Betonwerk sind sehr erfahren in der Herstellung von PUR-Sonderformen und bei der Herstellung der entsprechenden Betonelemente«, sagt Pallasch.

Nach den ersten Modellen aus Gips und Holz fertigte Sulser in der eigenen Schreinerei die Urform des Fassadendetails. Die eigentlichen Abgüsse wurden dann von einem Betonelement gemacht. Dafür bestellten die Schweizer ab Mai 2016 in mehreren Lieferungen 200 Gebinde des RECKLI-Flüssigkunststoffes PUR-Elastomer A55.

Um die drei Rechtecke im Beton abzubilden, musste die Matrize mit einer Tiefe von beinahe acht Zentimetern gefertigt werden. Die Techniker entschieden sich, zur Verstärkung der Matrize ein Holz miteinzugießen, damit die Staffelung der Elemente vollkommen exakt dargestellt werden konnte. Besonderes Augenmerk legten die Fachleute auch die Maßgenauigkeit der einzelnen Formen, damit sie später ohne Verschiebungen und mit gleichen Abständen im Beton abgebildet wurden. Nach so detailreicher Fertigung konnten die Betonelemente im Sommer 2016 ausgeliefert und vor Ort montiert werden.

Die fertige Fassade verleiht dem Bau faszinierende Facetten. Das Licht, das die Elemente je nach Sonnenstand unterschiedlich in Szene setzt und der Regen, der auf jeder Seite des Gebäudes andere Spuren auf der Fassade hinterlassen wird, sind für die beiden Architekten eine Bereicherung ihres Entwurfs. Licht und Wasser erlauben es dem Betrachter, das Gebäude auf viele verschiedene Arten zu erleben. Im Laufe der Jahre wird sich jede Seite des Bauwerks auf andere Weise verändern. »Zeit verändert unser aller Leben und genauso verändert es ein Gebäude«, sagt Veiga. Der Alterungsprozess ist für Barozzi/Veiga kein unvermeidbarer Prozess, der nach dem Bau einsetzt, sondern wichtiger Bestandteil ihres Entwurfs.

Seine Fassade gibt dem Gebäude Tiefe und Struktur und verleiht dem kolossalen Baukörper Eleganz. Die Architekten sind ihrem Anspruch gerecht geworden: »Wir wollten Beton in einer anderen Form zeigen.«

Info

Architekt
Alberto Veiga and Fabrizio Barozzi

Technische Zeichnung
Barozzi Veiga

Illustration
Carsten Nierobisch