Themen

Digitale Köpfe: Stefanie Waschk

Stefanie Waschk verantwortet die Projektleitung bei Engage.NRW – ein Projekt der Mülheim & Business GmbH und der Wirtschaftsförderung metropoleruhr GmbH.

FORMLINER

Wie viel digitale Agenda und digitale Transformation ist im deutschen Mittelstand, speziell in der Baubranche, bereits angekommen?

STEFANIE WASCHK

Es gibt zahlreiche Unternehmen, die die Bedeutung und Möglichkeiten der Digitalisierung erkannt haben. Trotzdem stellen wir fest, dass für einen Großteil der Mittelständler die Digitalisierung noch keine wichtige Rolle spielt.
Einige Unternehmer sehen das Innovationspotenzial und wollen Veränderung, benötigen jedoch vertrauensvolle Expertise und Unterstützung. Andere kennen die Möglichkeiten der Digitalisierung nicht, unterschätzen das unternehmerische Risiko des Abwartens und überschätzen die eigene Marktposition. So haken manche Bauunternehmen das Thema ab, weil ihre Produkte nicht digitalisierbar sind.
Es ist falsch zu denken, Digitalisierung beträfe nur Branchen, deren Güter digital zur Verfügung gestellt werden können wie z.B. Bücher. Neue digitale Möglichkeiten, wie z.B. 3D-Druck, Virtual- und Augmented-Reality, Optimierung und Automatisierung von Prozessen und interaktive Schulungen von Fachkräften, eröffnen völlig neue Perspektiven und Möglichkeiten der Effizienzsteigerung.

FORMLINER

Welche Risiken sehen Sie mit Blick auf den nationalen und internationalen Wettbewerb, wenn Unternehmen den Anschluss verpassen?

STEFANIE WASCHK

Was die Perspektiven angeht, so sehen wir in der Digitalisierung viele Chancen, überregional und international geschäftlich aktiv zu werden und vor allem wettbewerbsfähig zu sein oder zu bleiben.
Dies liegt insbesondere daran, dass die Effizienz gesteigert und dadurch Kosten eingespart und Umsetzungszeiten deutlich reduziert werden. Mitarbeiter können völlig neu motiviert und involviert werden. Produkte und Serviceleistungen werden entsprechend individueller Kundenwünsche zielgerichtet gestaltet.
All das schafft relevante Wettbewerbsvorteile und bindet Kunden langfristig. Vorbereitete Firmen müssen dann vor Wettbewerbern keine Angst haben, die – scheinbar aus dem Nichts mit schlanken Prozessen und agilen Methoden – das eigene Geschäftsmodell angreifen.

FORMLINER

Wie erklären Sie sich die Skepsis gegenüber Prozessoptimierung mit digitalen Mitteln, wie sie etwa Building Information Modeling (BIM) in der Baubranche darstellen?

STEFANIE WASCHK

Digitalisierung ist eine tiefgreifende strategische Veränderungsnotwendigkeit, die alle Bereiche des Unternehmens, vom Geschäftsmodell bis zu den einzelnen Arbeitsprozessen, berührt. D.h. es ist eine Aufgabe des Managements und nicht der IT-Abteilung.
Vielen Baufirmen, die auf langjährig eingeübte Prozesse zurückblicken, fällt es schwer, sich den neuen Themen zuzuwenden und bisher erfolgreiche Abläufe zu verändern und weiterzuentwickeln. Erfolgreiche Veränderung startet strategisch und endet mit der Umsetzung im operativen Bereich. Das bedeutet nicht nur die Abkehr von gewohnten Abläufen, sondern mitunter auch die Verteilung völlig neuer Aufgaben und Rollen.
Zusätzlich verlangt Digitalisierung Geschwindigkeit in der Anpassung, da aufgrund immer kürzerer Technikzyklen der Raum für Wandel immer kürzer wird. Und das im laufenden Betrieb zu verändern ist nicht ganz leicht.

FORMLINER

Wie durchbricht Engage.NRW diese Skepsis und unterstützt Unternehmen beim Schritt in die digitale Welt?

STEFANIE WASCHK

Es gibt noch einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten. Dazu nutzen wir die vielen bereits existierenden Praxisbeispiele, damit sich Unternehmer die Einsatzmöglichkeiten besser vorstellen können. Wir beraten Unternehmen, die die Wichtigkeit von Digitalisierung erkannt haben, aber noch nicht wissen, was es für Möglichkeiten für das eigene Unternehmen gibt. Zum anderen unterstützen wir Unternehmen, die bereits eine Projektidee haben. Hier prüfen wir gemeinsam die Umsetzungsmöglichkeiten und empfehlen Entwicklerteams, die aufgrund ihrer Kompetenzen zu dem jeweiligen Projekt passen. Bei Bedarf begleiten wir auch die Umsetzung.
Engage.NRW wird von der EU und dem Land NRW gefördert, sodass die Unterstützung ohne jegliche Verpflichtung und dazu noch kostenfrei für die Unternehmer geleistet wird. Diese Neutralität ist ein Aspekt, den die Unternehmen an unserem Angebot besonders schätzen.

FORMLINER

Können Sie uns von Erfahrungen mit einem Unternehmen aus dem Baubereich berichten?

STEFANIE WASCHK

Immer mehr Anfragen gibt es z.B. für Augmented-Reality-Lösungen, um direkt in der Baustelle Pläne und Abläufe zu visualisieren oder auch Objekte mit Virtual Reality erlebbar zu machen noch bevor sie überhaupt gebaut sind.
Die Universitäten Duisburg-Essen und Bochum entwickeln gerade einen Seil-Roboter, der im ersten Entwicklungsschritt Steine präzise stapeln kann. Was sich banal anhört, ist ein großer Schritt in Richtung schnelleres Bauen bei gleicher Sicherheit und Qualität. Und dabei wird der Roboter sogar mit konventionellen Baumaterialien aus dem Baustofffachhandel umgehen können. Daher besteht bereits jetzt großes Interesse auf Seiten der Bauindustrie.
Oder die Firma Schultheiß, die eine modulare Softwarelösung für die Baubranche entwickelt hat, die den ganzheitlichen Bedarf von der Ausschreibung, über CRM, den Grundstückskauf, die Logistik bis hin zur Schlüsselübergabe regelt. Zukünftig möchte man auch das Supply-Chain-Management transparent, in Echtzeit und authentifiziert darstellen sowie durch Einsatz von Gamification die Effizienz der Software weiter vorantreiben. An solchen Projekten wird deutlich, was Digitalisierung für Unternehmen in der Baubranche leisten kann.