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Zwei sind nicht zu bremsen

Zweieinhalb Jahrzehnte lang agierte die RECKLI-Vertretung in Großbritannien im Stillen. Bis zwei Neuzugänge die Ärmel hochkrempelten und ordentlich aufs Tempo drückten. Ein Gespräch mit den RECKLI UK Vertriebsleitern Joe Russell und Wayne Sewell.

Joe Russell

Als Joe Russell am 1. September 2011 seinen neuen Job antrat, war die Branche im Krisenmodus. Seit zwei Jahren war die Rezession überall in Europa zu spüren, auch Großbritannien hatte mit den Folgen zu kämpfen: 2009 schrumpfte die britische Bauwirtschaft um 13,2 Prozent. Bauprojekte wurden gestoppt, Aufträge waren rar, Unternehmen gerieten in existenzielle Krisen. Das Fertigteilwerk, in dem Joe Russell angestellt war, konnte den Betrieb nicht aufrechterhalten. Mitten in der Euro-Krise suchte er einen neuen Job.

Er fand ihn bei RECKLI. Russell wurde zur Unterstützung des langjährigen Verkaufsleiters angestellt, der die Handelsvertretung seit 1985 auf dem britischen Markt etabliert hatte. Nach 25 Jahren mit soliden Ergebnissen sollte Neuzugang Russell die Umsätze der britischen Handelsvertretung in der Krise sichern.

Denn auch RECKLI spürte die Folgen der Rezession: „Es gab nur wenige Aufträge, weil Architekten die Entwürfe sehr einfach halten mussten. Die Folge war ein Mangel an Architektur-Projekten“, erinnert sich Russell. Nur langsam nahm die Branche wieder Fahrt auf. Es brauchte zuweilen Überzeugungsarbeit, um an neue Aufträge zu kommen. In Zeiten knapper Budgets wurde individuelle Fassadengestaltung mit elastischen Matrizen schnell als teurer Luxus abgetan.

Neben der angespannten Wirtschaftslage musste sich Russell auch auf ein neues Publikum einstellen. In seinen 14 Jahren in der Fertigteilindustrie hatte er mit Technikern gearbeitet, jetzt musste er Präsentationen vor Architekten halten. Um alle Aspekte der RECKLI-Produkte überzeugend darlegen zu können, reiste Russell wiederholt nach Herne, sah sich die Herstellungsprozesse der Matrizen an und diskutierte mit RECKLI-Technikern über die Anwendungsmöglichkeiten. So gewappnet, betreute er schon bald sein erstes Projekt, eine Fotogravur für eine Gartenanlage. Er erinnert sich bis heute gern daran. Mithilfe einer 8 mal 3,5 Meter großen Matrize wurden zwei 8 Tonnen schwere Fertigteile hergestellt. „Es gab mir persönlich das Gefühl einer großen Errungenschaft, weil ich vom Design bis zur Herstellung unserer Fotogravur-Matrize voll involviert war“, sagt Russell.

Die Bauwirtschaft begann sich zu erholen, auch dank der Olympischen Spiele in London 2012. Planung, Vorbereitung und Realisierung der Infrastruktur für Olympia kosteten über 10 Mrd. Euro. RECKLI UK war am Bau des Olympischen Dorfs beteiligt und lieferte Matrizen für die Gestaltung von Übergängen, deren Brüstungen ein Putzstruktur-Finish bekamen. Dafür mussten die Matrizen – manche in Bogenform – millimetergenau zugeschnitten, eingepasst und teilweise spiegelbildlich auf dem Beton angewendet werden. Nach dem Prestigeprojekt füllte sich das Auftragsbuch weiter: Im Jahr nach Olympia verdreifachte sich der Umsatz von RECKLI UK gegenüber 2012.

Wayne Sewell

Als der langjährige Verkaufsleiter RECKLI UK 2014 aus Altersgründen verließ, holte Russell mit Wayne Sewell einen ehemaligen Kollegen ins Boot. Sewell hatte zuletzt als Manager eines Fertigteilwerks mit den wichtigsten britischen Zulieferern zusammengearbeitet und hatte praktische Erfahrung im Einsatz von RECKLI-Matrizen. Auch für ihn war der Schritt vom Management im Werk hin zum Vertrieb an eine breitere Kundschaft eine Herausforderung. Präsentationen, Reisen, neue Kontakte – Russell konnte Sewell wichtige Tipps geben. „Innerhalb der Branche gab es dank Joes Vorarbeit schon ein großes Bewusstsein für RECKLI“, sagt Sewell. Er folgte Russells Marschrichtung; gemeinsam nutzten sie ihre Erfahrung und Kontakte aus der Fertigteilindustrie, um neue Kunden zu gewinnen und Vertrauen in die RECKLI-Produkte aufzubauen. Sie weiteten die Messe-Aktivitäten aus und machten den persönlichen Kontakt zum Kunden zur Priorität.

Gerade bei komplizierten Bauvorhaben kommt beiden ihre Erfahrung aus der Praxis oft zugute. Sie können schon bei der Planung mit Architekten die Konsequenzen für die Anwendung auf der Baustelle abschätzen und Lösungen erarbeiten. Sewell erinnert sich noch gut an eines der herausforderndsten Projekte, bei dem RECKLI UK maßgeschneiderte Matrizen mit einer Brett-Struktur für ein Bürogebäude lieferte. Er koordinierte die Kundenwünsche und das RECKLI-Team in Herne von der Planung bis zur Anwendung. Er flog mit dem Architekten nach Deutschland und beriet später das Baustellenteam beim Einsatz der Matrizen. „Für uns steht Kundenservice an oberster Stelle. Egal ob Kleinunternehmer oder Konzern – jeder Kunde bekommt volle technische Unterstützung und Beratung, welche Möglichkeiten die RECKLI-Produkte eröffnen“, sagt Sewell.

Das Power-Duo hat 2015 zum erfolgreichsten Jahr für RECKLI UK gemacht und den Umsatz gegenüber 2012 vervierfacht. Die britische Wirtschaft hat sich so weit erholt, dass weitere positive Impulse zu erwarten sind: Der britische Baustoff-Fachverband Construction Products Association prognostiziert, dass der Bausektor 2016 wieder das Niveau der Vorkrisenzeit erreicht.