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Digitale Köpfe: Nikolaus Götze

Bauen 4.0, BIM, Virtual und Augmented Reality: Wie wird in Zukunft geplant und entworfen? NIKOLAUS GOETZE ist Architekt bei gmp. Für von Gerkan, Marg und Partner leitet er die Büros in Hamburg, Shanghai und Hanoi.

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Welche Rolle spielt BIM bei Projekten in Ihrem Büro?

Obwohl die Anwendung der Methode BIM in Deutschland noch nicht sehr verbreitet ist, verfügt gmp bereits über mehrjährige Erfahrungen in der Anwendung von BIM auf unterschiedlichen Stufen sowie in der Modellierung von 3D Modellen. Ein festes BIM Entwicklerteam begleitet die büroweiten Aktivitäten bei gmp und erarbeitet Vorgaben und Richtlinien für die Anwendung der Methode. Darüber hinaus konzipiert das Team die Entwicklung von Softwarelösungen zur Optimierung der BIM Prozesse und begleitet diese bis zur Marktreife. Ferner beteiligt sich gmp aktiv an der nationalen Richtliniensetzung, um die Methode BIM auf ein einheitliches Fundament zu stellen.

Im Jahr 2014 widmete sich unsere Academy for Architectural Culture (aac) der Zukunft des parametrischen Entwerfens. 24 junge Stipendiaten aus unterschiedlichen Ländern untersuchten unter der Leitung von gmp in Kooperation mit dem Forschungszentrum der Königlichen Dänischen Kunstakademie in Kopenhagen (CITA) , wie parametrisches Entwerfen dem Ausdruck architektonischer Grundwerte, beispielsweise der Sinnhaftigkeit, in zukünftigen komplexen Bauaufgaben dienen kann. Die Erfahrungen die wir selbst bei den Projekten Shanghai Oriental Sports Center in Shanghai und bei dem Entwurf für das neue Stadion Bernabéu von Real Madrid gesammelt haben, trafen hier auf die Erkenntnisse von Dozenten wie Ben van Berkel, UNStudio, Sven Plieninger aus dem Büro schlaich bergermann und partner und Mette Ramsgard-Thomsen, Leiterin CITA.

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Können Sie uns von Ihren Erfahrungen bei einem konkreten Projekt berichten?

Eines unserer derzeit laufenden Projekte ist die Messehalle 22/23 für die Deutsche Messe AG in Hannover. Die besondere Herausforderung bei diesem Projekt liegt darin, dass die Anwendung von BIM für viele Projektbeteiligte absolutes Neuland ist. Weder Bauherr, noch Fachplaner hatten bisher Erfahrungen auf diesem Gebiet sammeln können oder waren hinsichtlich Ihrer Ausstattung auf diese Methode ausgerichtet. Wir konnten aber sowohl den Bauherrn, als auch die beteiligten Planer überzeugen, das Projekt gemeinsam mit uns als BIM-Projekt zu führen.

Die bisherigen Erfahrungen aller Beteiligten sind nach eigenem Bekunden überaus positiv, sodass gemeinsam entschieden wurde, das Thema BIM weiter zu vertiefen. Insbesondere der 3D Aspekt stößt bei allen auf große Zustimmung und das Verständnis der Planung wird deutlich verbessert. Die regelmäßige und in kurzen Intervallen verlaufende Prüfung der Modelle verbessert die Zusammenarbeit aller Planungsbeteiligten und optimiert die Abstimmungsprozesse Eine ebenfalls für alle Mitwirkenden sehr positive und für den Projekterfolg wichtige Erkenntnis.

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Sie leiten sowohl das Hamburger gmp-Büro als auch die Zweigstellen in Hanoi und Shanghai. Unterscheidet sich die Verbreitung und Akzeptanz von BIM auf den beiden Kontinenten?

In Asien arbeiten die Taiwanesischen Architektur- und Ingenieurbüros sehr professionell mit BIM. Hier haben wir bereits wichtige Erfahrungen bei der Planung des Messe- und Konferenzzentrums in Taipeh gemacht. In den Ländern China und Vietnam arbeiten die Büros nur dreidimensional. Die Umsetzung der eigentlichen Methode BIM hat in der Wirklichkeit aber noch nicht begonnen. Doch so wie ich die Chinesen kennengelernt habe, wird dieses Tool in wenigen Jahren nicht mehr weg zu denken sein.

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Wo sehen Sie aus ihrer praktischen Erfahrung die Stärken und Schwächen von BIM?

Wie alles hat auch BIM Stärken und Schwächen. Unser Ansatz ist jedoch, die Schwächen zu Stärken zu machen. Der Prozess ist mit seinen festen Workflows und Prüfungen oftmals bürokratischer und kann mitunter auch die Individualität in der Projektführung etwas einschränken. Positiv gesehen kommt dies einem verbesserten Qualitätsmanagement durch strukturiertere und klarer definierte Projektumsetzung zugute. Insofern kann aus dieser sicherlich von einigen als aufwendig empfundenen Notwendigkeiten durchaus eine Stärke werden.

Schwächen sehen wir hauptsächlich in der noch weitgehend fehlenden Regelung von BIM. Selbst die Übersetzung des Begriffes ist noch nicht einheitlich: Building Information Modeling oder Building Information Managing? Je nach Interpretation ergeben sich hier unterschiedliche Sichtweisen auf die Anwendung der Methode. Was die Forderung nach BIM in der Projektbearbeitung für alle Beteiligten bedeutet und wie es umgesetzt werden soll, ist von daher von Projekt zu Projekt unterschiedlich und bedarf der individuellen Interpretation. Hier ist noch viel Spielraum für Missverständnisse und Konflikte.

Zu den großen Stärken der Methode gehört sicherlich die aus der Modellbearbeitung resultierende enge Zusammenarbeit aller Planungsbeteiligten. Es ist spannend zu sehen, wie einfach und schnell sich anhand der Modelle Planungen besprechen und abstimmen lassen. Natürlich ersetzt BIM nicht die inhaltliche Planung. Aber es macht das Arbeiten deutlich anschaulicher und leichter verständlich. Der Rückschritt zur klassischen 2D Planung ist für uns nicht mehr denkbar.

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Sind Sie bereits mit Virtual Reality oder Augmented Reality in Berührung gekommen? Welche Rolle spielen diese digitalen Neuerungen Ihrer Meinung nach zukünftig in der Architektur?

Ja, wir beobachten den Markt ganz genau und haben Kontakt zu verschiedenen Herstellern. Sobald die Virtual-Reality-Brillen eine akzeptable Auflösung und die Render Engines eine bessere Realität abbilden, führen wir diese auch bei gmp ein. Wir rechnen damit bereits damit in diesem Jahr. Unserer Meinung nach wird dieses ein tägliches Werkzeug zur besseren Gebäudeeinschätzung, Gebäudeoptimierung und für Präsentationen sein. Wir gehen in Kombination mit 3D Zeichnungen von einer vollständigen Marktdurchdringung in der Architektur aus.

Fazit: BIM soll ein Werkzeug bleiben, dass uns bei der Umsetzung komplizierter Bauvorhaben unterstützt. Der Architekt darf sich nicht zum Werkzeug komplizierter BIM-Prozesse und zum Koordinator deklassieren lassen.