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Bis die Chemie stimmt
Prüfen, verbessern, forschen: Das Team im RECKLI-Technikum hält den Materialstandard hoch und entwickelt Innovationen für den Strukturbeton von morgen. Gerade haben die Entwickler ihre neuen Arbeitsräume bezogen. Ein Besuch im Technikum.
Die Augen von Dr. Christoph Richter funkeln vor Tatendrang. „Endlich viel mehr Platz, um sich auszubreiten!“ Der Chemiker und Leiter der RECKLI-Forschungsabteilung hat die Hände in die Hüften gestemmt und begutachtet seine neuen Arbeitsräume: Mit dem Umzug des RECKLI-Werks in Herne hat auch das Technikum mehr Platz bekommen. Es riecht nach neuem Gebäude, nach frischem Putz und Fugenmasse.
Um ihn herum herrscht emsige Betriebsamkeit. Seine beiden Mitarbeiter, Janus Woclawek und Andreas Düsener, packen aus, ordnen Behälter, Flaschen, Gläschen und dirigieren die anderen Helfer. Dazwischen immer wieder ein gedämpftes Lachen. Die Vorfreude, mit der die drei Männer ihren neuen Arbeitsplatz beziehen, ist deutlich spürbar.
Schon zwei Tage nach dem Einzug hat das Technikum den Prüfbetrieb wieder aufgenommen. Während er gerade eine Testmenge einer Chemikalie abwiegt, die die Basis für die Herstellung der RECKLI-Matrizen bildet, verrät Richter: „Es gibt Spannenderes für uns Wissenschaftler, aber ein wichtiger Teil unserer Arbeit ist das Prüfen der Materialien und Substanzen, die wir geliefert bekommen. Wir müssen wissen, ob die Qualität stimmt, damit wir die Ansprüche der Kunden später voll befriedigen können.“ Er lässt eine durchsichtige Flüssigkeit aus einem anderen Behälter nachtropfen. Dann gießt er alles in eine kleine Form, in der die Masse aushärtet. „Manchmal ist es auch so ein bisschen wie früher im Sandkasten“, sagt Richter mit einem Augenzwinkern.
Einige Schritte weiter wird der Härtegrad der Elastomere getestet: Drei massive Prüfgeräte pressen und quetschen das Material. „Je nachdem, was die Matrize am Ende aushalten und formen soll, müssen wir unterschiedlich elastische oder härtere Materialien für die Gussformen herstellen. Hier können wir dann sehen, wie gut das Ergebnis der jeweiligen Mischung ist“, erklärt Richter. Umso besser, dass die Wege zwischen den Forschern und dem Produktionsteam seit dem Umzug kürzer geworden sind: Einmal durch die Tür und um die Ecke stehen die großen Mischanlagen für das Matrizen-Material. So können die Forscher die Testergebnisse direkt an die Kollegen in der Produktion weitergeben.
Zusätzlich feilen Richter und sein Team unentwegt am Materialstandard der RECKLI-Produkte. Neben den Ansprüchen der Kunden ändern sich auch regelmäßig die EU-Normen für die Chemikalien, die bei der Herstellung der Elastomere verwendet werden. Das Team im Technikum stellt sicher, dass die Qualität der Matrizen trotz veränderter Rezeptur gleich bleibt.
Umweltschonende Innovationen
Nach der Pflicht kommt die Kür: Die Chemiker suchen unentwegt nach innovativen Neuerungen. Eines ihrer Forschungsfelder: umweltschonende Trennmittel. Die Flüssigkeit wird eingesetzt, um den ausgehärteten Beton problemlos aus der Schalung und der Matrize lösen zu können. Bisher basieren die meisten dieser Trennmittel auf Mineralöl. „Wir suchen nach Alternativen zu mineralölhaltigen Trennmitteln – zum Beispiel auf Basis natürlicher Wachse, Fette oder Öle“, erzählt der Forschungsleiter. Dabei achtet das Entwicklerteam auf Nachhaltigkeit. „Palmöl stellt für uns aufgrund des Anbaus in Monokulturen und der Brandrodung von Regenwald für die Anbauflächen keine Alternative dar“, so Richter. Auch Speiseöle sind in seinen Augen tabu. „Wir wollen unseren Mitmenschen ja nicht die Nahrung verbauen“. Das Team beschäftigt sich deshalb mit Abfallprodukten aus der Holz- und Nahrungsmittelindustrie, zum Beispiel Weizenkeim- oder Tallöl. Die Stoffe eignen sich hervorragend als Trennmittel, ohne die weitere Bearbeitung der Fassade zu beeinträchtigen.
Experimentiert wird auch im Hinblick auf die Trocknungszeiten der Formen. „Der Wunsch ist oft, dass die Werkstoffe für die Matrizen sozusagen ‚auf Knopfdruck‘ aushärten“, sagt Richter, „Aber das ist nur begrenzt möglich.“ Gerade bei sehr großen Strukturen ist das eine Herausforderung. Zum Beispiel bei Schallschutzwänden im Straßenbau, oder bei funktionalen Fassadendesigns, etwa für das Anbringen der hauchdünnen Photovoltaikfolie Heliafilm, die RECKLI gemeinsam mit dem Dresdener Startup Heliatek entwickelt hat. Meist müssen Richter und seine Kollegen einen Kompromiss finden zwischen dem ‚Vater des Designs‘ sozusagen, und dem chemisch und physikalisch Möglichen. Auf die Frage, wie er denn die Zusammensetzung des Materials für eine gewisse Anwendung herausfindet, packt Richter ein altes Sprichwort aus: „Ich sage es mal ganz platt: ‚Versuch macht kluch‘! Wir haben meist schon durch unsere langjährige Erfahrung eine Vorstellung, wie sich gewisse Anteile von diesem oder jenem Füllstoff oder Weichmacher auf die Eigenschaften des Produkts auswirken. Aber es geht einfach nichts über das Ausprobieren.“
Die Leidenschaft für seinen Beruf lässt Richter selbst nach Feierabend nicht los. Seine Kollegen erzählen amüsiert, dass ihr Chef sogar ab und zu eine Nacht im Labor der Universität Bochum verbringt.
Foto: © J. Konrad Schmidt