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Architekt:innen an die Klimafront

Initiativen wie Architects for Future tragen die Fragen des Klimawandels in die Branche. Sie stellen Forderungen: Den Fokus auf Bestand statt Neubau, die Bevorzugung nachwachsender Rohstoffe gegenüber Beton.

Doch auch beim Beton tut sich was: Forscher untersuchen neue Wege, den bewährten Baustoff nachhaltiger zu machen. Eine mögliche Lösung fanden sie in Afrika: Aus Maniokwurzeln kann ein Zementersatz gewonnen werden.

Architects for Future will Architekt:innen im klimagerechten, nachhaltigen Bauen bestärken. Eines ihres Kritikfelder: Die CO2-Emissionen beim Einsatz von Beton.

© Michael Kweku Commeh

Es mangelt derzeit nicht an Ideen und Engagement, die Bauwirtschaft klimafreundlicher zu machen. Die Notwendigkeit ist groß: Laut World Green Building Council ist der Bausektor für mehr als ein Drittel der CO2-Emissionen weltweit verantwortlich. Die Bundesregierung möchte deshalb bis 2030 in der Bauindustrie den Emissionsausstoß im Vergleich zu 1990 um bis zu 67 Prozent senken. Erreicht werden soll das Ziel durch Förderprogramme, neue Regeln und eine stärkere CO2- Besteuerung.

Mit Architects for Future ist eine Initiative innerhalb der Branche entstanden, die sich für die Einhaltung der Ziele des Pariser Klimaabkommens und eine begrenzte Erderwärmung einsetzt.

Architekt:innen stehen beim Thema nachhaltiges Bauen an vorderster Stelle, weil sie bei Projekten die Planungshoheit haben und viele Entscheidungen zusammen mit den Fachplanern treffen.

Obwohl die Initiative erst rund ein Jahr alt ist, haben sich bereits 30 Ortsgruppen mit rund 500 Mitgliedern gegründet. Bei Architects for Future engagieren sich nicht nur Architekt:innen, sondern auch grundsätzlich an der Bauwirtschaft interessierte Menschen. Die Initiative finanziert sich derzeit über Spenden.

Architects for Future

www.architects4future.de

Sieben Forderungen

Die Gründer:innen von Architects for Future stellen sieben Forderungen an die Bauwirtschaft. Andrea Heil von der Ortsgruppe in München formuliert den grundsätzlichen Anspruch: „Materialen haben beim klimagerechten Bauen einen großen Hebel, vorher müssen aber andere Gedanken kommen“.

Am wichtigsten sei, weniger zu bauen und den Fokus stärker auf den Bestand zu lenken.

Vor dem Abriss stehen für Heil und ihre Initiative immer die sorgfältige Analyse des Vorhandenen. Damit einher geht eine Suche und Implementierung von echten Stoffkreisläufen. „Nicht alle Architekt:innen müssen Expert:innen im Holzbau sein oder Ökobilanzen berechnen. Wichtig wäre es aber, wenn die Architekt:innen sich nicht nur Gedanken machen zum Neubau auf der grünen Wiese, sondern ebenso darüber, wie sich ein Gebäude erhalten lässt“. Es gelte auch zu analysieren, was überhaupt der Bedarf ist. „Man sollte sich zum Beispiel fragen, wie sich Mehrfachnutzungen von Räumen herstellen lassen. Brauche ich überhaupt ein Gästezimmer oder ist es besser, Gemeinschaftsräume einzurichten?“

Heil gehört dem Cradle to Cradle Bündnis Bau & Architektur an und ist überzeugt, dass Klimaschutz nur mit kreislaufgerechtem Bauen zu erreichen ist. Der Lebenszyklus eines Gebäudes lässt sich dabei nicht nur mit der Verwertung der Materialien verlängern, sondern beginnt bereits bei dessen Konstruktion und Planung: „Bei einem Gebäude hat das Tragwerk eine Lebensdauer von 50 bis 100 Jahren, die Fassade hält aber vielleicht nur 20 Jahre. Deshalb ist es von Anfang an wichtig, Gebäudeteile mit unterschiedlicher Lebensdauer so zu konstruieren, dass sie zerlegbar und unabhängig voneinander erneuerbar sind.“

Bei den Materialien plädiert Architects for Future für den Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen wie Holz fürs Tragwerk sowie Hanf oder Seegras bei den Dämmstoffen:

„Nachwachsende Rohstoffe haben mehr CO2 gespeichert als sie bei der Herstellung emittieren. Neben der CO2-Bilanz von Baustoffen ist es auch wichtig sich zu fragen, inwieweit diese kreislauffähig sind“, sagt Heil.

Auch hier ist die Analyse immer komplex. Zwar lassen sich Stahl oder andere Metalle gut recyceln, deren Herstellung verursacht aber einen hohen CO2-Ausstoß.

Recyclingbeton will die CO2-Bilanz des Baustoffs verbessern: Mindestens 25 Prozent des Kies werden dafür mit Granulat aus abgebrochenen Bauten ersetzt. Architects-for-Future-Aktivistin Heil hat noch Zweifel: „Zwar ist die Verwendung von Recyclingbeton in der Schweiz deutlich etablierter als in Deutschland, dessen CO2-Bilanz gilt es aber genau zu analysieren.“

Denn bei der Herstellung von Recyclingbeton wird mehr Zement zugesetzt, um dessen Festigkeit zu erhöhen und weil der Betonbruch poröser ist als Kies. Und Teile des gewonnenen Granulats werden nicht wiederverwendet, sondern im Tiefbau eingesetzt. Ein solches Downcycling wollen Architects for Future vermeiden. Derzeit ist es technisch noch sehr aufwendig, den Beton in seine ursprünglichen Bestandteile Sand, Kies und Zementstein zu trennen, um einen echten Stoffkreislauf zu realisieren, so ihre Kritik.

Forschung mit biobasierten Zementersatzstoffen

© Michael Kweku Commeh

Wolfram Schmidt von der Bundesanstalt für Materialforschung und – prüfung (BAM) setzt deshalb direkt beim Kernproblem an: Zement, bei dessen Produktion große Mengen von CO2 freigesetzt werden.

Schmidt experimentiert mit Zementersatzstoffen, um den Baustoff Beton umweltverträglicher zu machen.

Eine vielversprechende Lösung fand er in Afrika: Gemeinsam mit Student:innen in Nigeria und Ghana baute der Materialforscher einen Ofen, mit dem man bei minimalem CO2-Ausstoß aus landwirtschaftlichen Abfällen Zementersatzstoffe herstellen kann. Dafür setzte die Forschungsgruppe die Schalen von Maniokwurzeln ein, die sonst als landwirtschaftliche Abfälle keine Verwendung finden. Der Ofen steht auf dem Campus der Universität Ghana und funktioniert zweistufig: Zuerst erfolgt eine Hydrolyse, bei die organischen Komponenten – zum Beispiel Stärke – von den Schalen getrennt werden. Dann werden die Schalen bei circa 800 °C verbrannt. Dieser Prozess erzeugt Energie, und aus der zurückbleibenden Asche entstehen zementähnliche Ersatzstoffe mit einer deutlich besseren CO2-Bilanz.

„Beton bedarf neuer nachhaltigen Rezepturen, die abhängig sind von den lokalen Ressourcen“, sagt der Materialforscher. Deshalb will Schmidt auch andere biobasierte Materialien für neue Betonrezepturen verwenden, darunter Zuckerrohrgase oder Reisschalen. Nutzt man sie abhängig von ihrem lokalen Vorkommen, ist der Einsatz nachhaltig.

Der biobasierte Zementersatz kann den Zement gleichwertig ersetzen und erzielt teilweise sogar besser Leistungswerte.

So ist zum Beispiel bei Reisschalen ein Leistungsgewinn von bis zu 20 Prozent möglich. Abhängig ist die Leistungsfähigkeit des klimafreundlichen Betons immer von dessen Gesamtchemie: Pflanzenart, Bodenart, Nährstoffe, Siliziumgehalt, Aluminiumgehalt etc.

Schmidt plant mit seinen Student:innen in Nigeria den Bau eines Betonhauses mit biobasiertem Zementersatz. Es soll als Labor für weitere Forschung auf dem Gebiet dienen. Bei dem Bau des Labors möchte Schmidt Betonmatrizen von RECKLI verwenden, um Information zum Thema klimafreundlicher Beton auf die Stützen und Wände des Baus zu projizieren. 

Innovative Betonrezepturen, alternative Materialien, das Stoffkreislaufprinzip: Letztendlich wird nicht ein Weg allein zum Ziel führen. Klimafreundliches Bauen ist komplex – entsprechend vielfältig wird die Lösung ausfallen.